Der Schoppen vor der Jagd

Vorsichtig und sachgemäß im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG geht mit Waffen nur um, wer sie in nüchternem Zustand gebraucht und so sicher sein kann, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zur Gefährdung Dritter führen können.

Der Schoppen vor der Jagd

Im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hatte ein Jäger eine Schusswaffe gebraucht, nachdem er kurz zuvor einen halben Liter Rotwein sowie 30 ml Wodka zu sich genommen hatte.

Vorsichtig und sachgemäß geht mit Schusswaffen nur um, wer sie in nüchternem Zustand gebraucht und so sicher sein kann, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zu Gefährdungen Dritter führen können. Bei der vom Jäger konsumierten Alkoholmenge waren solche Ausfallerscheinungen nicht hinreichend sicher ausgeschlossen. Diese war vielmehr geeignet, seine Reaktionsgeschwindigkeit sowie seine Wahrnehmungsfähigkeit zu mindern und enthemmend zu wirken. Der Jäger ist hiermit das Risiko eingegangen, Dritte zu schädigen.

Der Umstand, dass der Jäger trotz dieses Risikos die Schusswaffe gebraucht hat, rechtfertigt die Prognose, dass er auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig und sachgemäß umgehen wird. Die bei Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit vorzunehmende Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen[1]. Dieses Vertrauen verdient nicht, wer in einem Zustand, in dem alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auftreten können, eine Schusswaffe gebraucht hat. In diesem Verhalten liegt ein schwer wiegender Verstoß gegen das Gebot vorsichtigen und sachgemäßen Umgangs mit Waffen, der auf eine grundlegende persönliche Fehleinstellung schließen lässt. Es handelt sich nicht um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte.

Die Tatsachen, aus denen sich nach dem Vorgesagten der Versagungsgrund der Unzuverlässigkeit ergibt, sind im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG nachträglich eingetreten.

Den Einwänden des Jägers kann nicht gefolgt werden.

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang beim Jäger alkoholbedingte Ausfallerscheinungen tatsächlich eingetreten sind, ist unerheblich. Unvorsichtig und unsachgemäß ist der Gebrauch von Schusswaffen bereits dann, wenn der Betroffene hierbei das Risiko solcher Ausfallerscheinungen eingeht. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit setzt die Fähigkeit und die Bereitschaft voraus, Risiken mit dem Potential der Schädigung Dritter strikt zu vermeiden. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG fordert insoweit eine typisierende Betrachtung. Es kommt nicht auf den individuellen Risikograd an, wie er sich unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der in Rede stehende Umgang mit Waffen oder Munition typischerweise bei Menschen als riskant einzustufen ist. Dies ist hier zu bejahen. Der Konsum von Alkohol führt typischerweise zur Minderung von Reaktionsgeschwindigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit sowie zu Enthemmungen, d.h. zu Ausfallerscheinungen, die beim Schusswaffengebrauch die Gefahr der Schädigung Dritter hervorrufen.

Unerheblich ist demzufolge erst Recht, ob ein weiteres Fehlverhalten zum Konsum von Alkohol hinzugetreten ist. Der Schusswaffengebrauch unter Alkoholeinfluss stellt ein Fehlverhalten dar, welches bereits für sich genommen die Annahme der Unzuverlässigkeit begründet.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG sperrt die Anwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nicht.

Gemäß der erstgenannten Vorschrift besitzen Personen die erforderliche persönliche Eignung nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie abhängig von Alkohol sind. Sind Tatsachen bekannt, die dahingehende Bedenken begründen können, hat die zuständige Behörde dem Betroffenen die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen Zeugnisses aufzugeben (§ 6 Abs. 2 WaffG). Hieraus kann entgegen der Auffassung des Jägers nicht geschlossen werden, dass die Annahme einer Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG wegen des Gebrauchs einer Schusswaffe unter Alkoholeinfluss ausscheiden muss, sofern kein weiteres Fehlverhalten hinzugetreten ist. Der Gesetzgeber hat durch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG die Möglichkeit eröffnet, ereignisunabhängig eine waffenrechtliche Erlaubnis zu versagen bzw. zu widerrufen. Hiermit sollte nicht indirekt die Reichweite der ereignisabhängigen Unzuverlässigkeitstatbestände des § 5 WaffG eingegrenzt werden.

Soweit der Jäger im Rahmen seiner Revisionsbegründung vorträgt, bei ihm sei eine unter dem Schwellenwert des § 24a StVG liegende Blutalkoholkonzentration von 0, 39 mg/l gemessen worden, verkennt er, dass das Oberverwaltungsgericht von der Feststellung ausgegangen ist, es sei eine – über dem Schwellenwert des § 24a StVG liegende – Atemluftalkoholkonzentration von 0, 39 mg/l festgestellt worden. Allerdings kommt es auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 24a StVG erfüllt sind, nicht an und kann daher auch die weitere vom Jäger aufgeworfene Frage dahinstehen, inwieweit das in seinem Fall zur Messung eingesetzte Gerät die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren erfüllte. Der waffenrechtliche Zuverlässigkeitsmaßstab des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG fällt nicht in eins mit dem straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab, der in § 24a StVG normiert ist.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 6 C 30.2013 –

  1. stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 12.10.1998 – 1 B 245.97, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 83 S. 51 f. m.w.N.[]